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Mehr als 100 Jahre Counseling

IHP Manuskript 1201 F

Psychotherapie gilt als heilkundlich definierte Behandlung von Krankheitsbildern der Psyche. Counseling ist pädagogisch-therapeutisch oder Beruf bezogen angelegte Begleitung psychodynamischer, interaktioneller und struktureller Lernprozesse im Kontext von Erziehung, Bildung & Beratung.

Klaus Lumma

Als es auf das Jahr 2012 zuging und ich realisierte, dass die Erste Deutsche AusbildungsStätte für Counseling, das IHP Institut für Humanistische Pychologie, 40 Jahre alt wird, kommt die Frage auf, wie alt denn nun das COUNSELING überhaupt ist in diesen Tagen. Ich erinnere dabei gern an Fred MASSARIK, der mich einerseits zur Gründung des Institutes und der Deutschen Gesellschaft für Humanistische Psychologie (IHP und DGHP e.V.) motivierte, uns dann in den ersten 15 Jahren monatlich (1. Montag im Monat) für Supervision per Telefon zur Verfügung stand, hin und wieder als Kursleiter im AusbildungsProgramm erschien und auch wissenschaftliche Recherchen voll und ganz unterstützte. 

Als wir 1972 mit dem IHP begannen, da nannten wir das, was seit ca. 2000 auch in Deutschland offiziell als Counseling firmiert, Pädagogische Psychotherapie. Doch Fred MASSARIK, von Wien vor den Nazis nach Los Angeles geflohen und dort amerikanisch sozialisiert, sprach immer schon vom Counseling mit seinen „Abteilungen“ Consulting, Facilitating, Guidance, Supervision, Mental Health Counseling, Coaching und noch einigen anderen mehr.
Im Rahmen meiner Mitwirkung beim „International Development Committee“ der amerikanischen Gesellschaft für Humanistische Psychologie (AHP) stieß ich immer wieder auf den Namen Rollo MAY, und auch innerhalb der individualpsychologischen Ausbildung bei Lucy ACKERKNECHT kam dieser kalifornische Psychologe zur Sprache, weil auch er offenbar bei Alfred ADLER gelernt hatte – und zwar im Wien der Jahre 1930 bis 33. Zurück in California USA war er dann derjenige, der als späterer Mitbegründer der Humanistsichen Psychologie um Charlotte BÜHLER und Fred MASSARIK das erste pädagogisch-therapeutische Fachbuch über Counseling schrieb „The Art of Counseling“ und dabei auch diesen Fachbegriff benutzte. Er bezog sich dabei fachlich vor allem auf das, was ihn in der Beratungskonzeption des Alfred Adler so inspiriert hatte.

Doch wie die Counseling Geschichte in Kurzform zeigt, gab tatsächlich auch schon vor Rollo May offizielles Counseling, und zwar im Feld der amerikanischen Fürsorge von Kindern und Jugendlichen, ausgehend von Frank PARSONS systematisiertem Konzept der Berufung und Berufsbezogenen Beratung & Begleitung.

Bei der „Counseling Geschichte in Kurzform“ wird deutlich, dass es mehrere Jahre geben könnte, in denen sich „100 Jahre Counseling“ feiern ließe. Doch wenn man dem geschichtlichen Rückblick inhaltlich das hinterlegen würde, was mit dem individualpsychologischen und dem humanistisch-psychologischen Menschenbild auf den Weg gekommen ist, so ließe sich der Übergang von 2012 auf 2013 als markantes Jubiläum des Counseling feiern, vor allem wenn wir zur Fachrichtung COUNSELING ebenso wie die Amerikaner es tun, auch „vocational guidance“ Beruf(ungs)Beratung (Supervision?) mit dazu zählen.

Ich habe den geschichtlichen Abriss in unterschiedlichen SchriftFarben markiert.
Das BLAU Geschriebene symbolisiert jene Linie, die aus Wohlfahrt, Fürsorge und Psychiatrie im Sinne von Seelenleben und Beruf bezogener Beratung ins Leben gerufen wurde.
Das GRAU Geschriebene bezieht sich auf die Entwicklung seit Alfred Adler, und
das GRÜN Geschriebene auf die Humanistische Psychologie als Grundlage des Counseling.

1800s   Dorothea Lynde DIX advocates in the early 1800s for the establishment of institutions that would treat people with emotional disorders in a human manner.
1870    Wilhelm WUNDT gründet in Leipzig das erste Psychologie Laboratorium zur Erforschung der Seele.
1883    Max TAUBE, Leiter der Leipziger ZiehAnstalt berät Pflegemütter unehelicher Kinder und entwickelt 1886 das System der Amtsvormundschaft.
1886    Psychological Clinic Lightner Witmer * University of Pennsylvania
1902    Alfred ADLER wird Mitglied in Siegmund Freuds Wiener Psychologischer MittwochsGesellschaft, die später zur Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung umfunktioniert wird.
1903    W. CIMBAL eröffnet als KriminalPsychologeeine Heilpädagogische BeratungsStelle
1906    Dr.med. FÜRSTENHEIM eröffnet in Berlin die Medico – Pädagogische Poliklinik für KinderForschung, ErziehungsBeratung und ärztlich-erzieherische Behandlung
1907    Jessie B. DAVIES: First Use of Systematized Guidance
1908    Frank PARSONS, the “Father of Guidance” gründet in Boston das Vocational Bureau, eine Berufung & Berufsbezogene AnleitungsStelle
1909    Frank PARSONS veröffentlicht das Buch „Choosing a Vocation“ und verwendet darin den Begriff Counseling für das Feld der Berufung und Berufsbezogenen Beratung & Begleitung (heute: Coaching Supervision)
1909    Eröffnung der ersten Child-Guidance-Clinic in Chicago
1911    Alfred ADLER startet den Verein für Freie PsychoAnalyse (April 1911)
1912    Alfred ADLER = 1. Obmann (Vorsitzender) dieses Vereins (17. Oktober 1912) und beschäftigt sich wissenschaftlich mit der BeratungsKonzeption, die später in „Heilen und Bilden“ publiziert wird
1913    Installation First Counseling Association USA = NVGA National Vocational Guidance Association – multiprofessional – knowledge of work, knowledge of self, matching the two = vocational guidance.
1913    Der Verein für Freie PsychoAnalyse wird umbenannt in ÖPIP Österreichischer Verein für IndividualPsychologie, in der die Begriffe Beratung und Therapie gemeinsam vertreten sind, wie später in Rollo MAYs Buch „The Art of Counseling“ 1939/1989 / „Die Kunst der Beratung“ 1991 verdeutlicht wird.

1914    Alfred ADLER: Gründung der Zeitschrift für IndividualPsychologie (ZfIP)
1914    Alfred ADLER Erste Publikation von „Heilen und Bilden“ mit dem Ziel einer Auflösung der scharfen Grenzziehung zwischen Medizin und Pädagogik. Adler plädiert dafür, Phänomene des LebensAlltags als Ausdruck einer „zielgerichteten Einheit der Persönlichkeit“ zu verstehen, „die in erfahrungsabhängiger Weise ausgebildet wird, und zeigte anhand von konkreten Beispielen immer wieder, in welcher Weise die Befassung mit der Biografie und der aktuellen Lebenssituation … hilft, aus individualpsychologischer Perspektive das Zustandekommen entsprechender Phänomene zu verstehen.“ (Siehe: Alfred Adler Studienausgabe Bd. 4, Seite 18.)
1916    Dr.med. FÜRSTENHEIM eröffnet in Frankfurt die „JugendsichtungsStelle für Erziehungs- und Ausbildungsberatung
1918    Alfred ADLER installiert die Erste Wiener ErziehungsBeratungsstelle im Volksheim Ottakring (VolksHochSchule), und dort startet er auch die erste individualpsychologische Berater Ausbildung. Im Laufe der nächsten Jahre entstehen in Wien ca. 30 solcher Beratungsstellen.
1920    Die Münchener Ortsgruppe für Individualpsychologie installiert unter der Leitung des Neurologen Leonhard SEIF eine Erziehungsberatungsstelle.

1922    Alfred ADLER’s Neuauflage von „Heilen und Bilden“ mit einem Kapitel über ErziehungsBeratung: „In der Familie entstanden, kann die Verwahrlosung durch die Familie nicht geheilt werden.“
1923    Gründung des Pädagogischen Instituts Wien: Aufgabe ist, zukünftige Lehrer mit (individual-) psychologischer Kompetenz auszustatten.
1924    Alfred ADLER wird Professor für Pädagogik am neuen Pädagogischen Institut der Stadt Wien
1925    First Certification of Counselors in Boston and New York
1927    Alfred ADLER ist Gastprofessor an der Columbia University USA
1928    FREUDENBERG, Sophie: Erziehungs- und heilpädagogische Beratungsstellen, Leipzig (S. Hirzel) 1928.
1929    Abraham and Hanna STONE are first to establish a marriage & family counseling center in New Yor
1929    Das JugendAmt Köln richtet eine Stelle für ErziehungsBeratung ein.
1930    5. Internationaler Kongress für IndividualPsychologie in Berlin mit mehreren tausend Teilnehmern.
1930    Rollo MAY reiste nach seinem Studium in der Zeit zwischen 1930 und 1933 von seiner Lehrtätigkeit am Anatolia College (Griechenland) nach Wien, um an IndividualPsychologie Seminaren von Alfred ADLER teilzunehmen. Er brachte dessen Ideen nach California USA und schrieb dort das erste international genutzte Fachbuch zum Thema Counseling: The Art of Counseling, 1939.
1932    Alfred ADLER wird Professor für medizinische Psychologie am Long Island College of Medicine.
1932    Abbau der Beratungsstellen in Deutschland durch die NAZIs
1932    Zugelassen sind in D ausschließlich ErziehungsBeratungsStellen mit nationalsozialistischer Orientierung; Träger = NSV NationalSozialistische Volkswohlfahrt.

1933    Nazi Bücherverbrennungen vieler humanistischer Autoren, u.a. A.Adlers Schriften Verhaftung und Emigration u.a. auch vieler Individualpsychologen.

1934    Das austrofaschistische Regime zerschlägt die Sozialdemokratie in Österreich, und alle pädagogischen Wiener Beratungs-Innovation enden in einem autoritären System.
1935    Alfred ADLER wandert nach USA aus.

1939    Rollo MAY publiziert in USA „The Art of Counseling“. Dieses Buch gilt als erste Veröffentlichung zum Fachbereich Counseling. May wurde zu dieser Veröffentlichung maßgeblich durch Alfred ADLER beeinflusst. Zurück von seinen Wiener Studienaufenthalten motivierten die Californischen Kollegen Rollo May dazu, seine Erfahrungen mit Alfred ADLERs Konzept in ein Buch zu kleiden. Es ist auch in Deutsch erhältlich.
„In der Atmosphäre idealistischer Reformen gründete ADLER in den Jahren 1919 und 1920 formlos mehrere <Kliniken> für Erziehungsberatung.“ (Edward HOFFMANN 1997, Seite 162.) Rollo MAYs Konzept der Beratung wurde auch unter dem Namen Existential Counseling bekannt (s. NELSON-JONES). „Die Kunst der Beratung“ war das erste Fachbuch für beratende Berufe, das in Amerika erschien. Mit grundlegenden Informationen über die menschliche Persönlichkeit führt er ein in die empathische Begegnung als Schlüssel von Beratungsprozessen. Es wird auch die Persönlichkeit des Beraters und die Bedeutung der Religion für die seelische Gesundheit erörtert.

1940    Die NSV NationalSozialistische Volkswohlfahrt installiert ErziehungsBeratungsStellen zur Vorbeugung von ErziehungsSchäden für „erbgesunde“ Kinder. Damit wird die rassehygienische Einstellung offiziell im Deutschen Beratungswesen propagiert und praktiziert.

1940    Rudolf DREIKURS wird Herausgeber der Individual Psychology News, später umbenannt in Individual Psychology Bulletin.

1941    Carl ROGERS publiziert in USA „Counseling & Psychotherapy“.

1946   Wiedereröffnung des Wiener Vereins für IndividualPsychologie von 1913 mit Festredner Birnbaum.
1948    Gründung der Schweizerischen Gesellschaft für IndividualPsychologie SGIP durch Dr. Louis und Wolfensberger.

1950    HAUS SCHWALBACH Installation des angelsächsischen UmerziehungsProgramms durch Magda KELBER: Haus Schwalbach verstand und lehrte Gruppenpädagogik als eine Form der bewussten Nutzung und Steuerung von Gruppenprozessen durch Pädagogen und unterschied auf diese Weise Gruppenpädagogik von der naturwüchsig verlaufenden Gruppenarbeit, die des Pädagogen nicht bedarf. Magda KELBER formulierte den pädagogischen Anspruch in acht Grundsätze, wie: mit der Stärke arbeiten; anfangen, wo die Gruppe steht...und sich mit ihr - ihrem Tempo entsprechend - in Bewegung setzen; Raum für Entscheidungen geben... und notwendige Grenzen positiv nutzen; Zusammenarbeit mehr pflegen als Einzelwettbewerb; sich überflüssig machen; weniger durch traditionelle, persönliche Führungsmittel (Lohn und Strafe, Lob und Tadel) wirksam werden als durch das Gruppenprogramm. (siehe: Wolfgang Müller, S.60)

1951    Gründung der BUKO BundesKonferenz für ErziehungsBeratung
1952   Gründung der APGA American Personnel and Guidance Association; 1983 umbenannt in AACD American Association for Counseling and Development, 1992 umbenannt in ACA American Counseling Association mit 17 Abteilungen für unterschiedliche BeratungsAnsätze.

1952    Gründung der American Society of Adlerian Psychology ASAP.
1954    Internationaler Kongress für Individualpsychologie (IP) in Zürich, Schweiz (Präsidentin ist Alexandra ADLER).

1956    WHO (World Health Organisation) empfiehlt:  Je 45.000 Einwohner eine Beratungsstelle mit 4 bis 5 Fachleuten zu installieren.

1957    Internationaler Kongress für Individualpsychologie (IP) in Oosterbeck (Präsidentin Alexandra ADLER)
1960    Internationaler Kongress für Individualpsychologie (IP) in Wien (Präsidentin Alexandra ADLER)

1961    Carl ROGERS publiziert in USA „On Becoming A Person“.
1962    Gründung AHP Association for Humanistic Psychology von Abraham MASLOW, Carl ROGERS, Charlotte BÜHLER, Rollo MAY, Virginia SATIR, Fred MASSARIK u.a. als Protestbewegung gegen die Reduktion der Psychologie auf naturwissenschaftlich-experimentelle Techniken und gegen die kausal-determinstische Auffassung vom Menschen; Start der Encounter & Personal Growth Bewegung von den USA aus.
Abraham MASLOW mit seiner Entwicklungs-Theorie, Carl ROGERS mit seinem Person-Zentrierten BeratungsKonzept , Charlotte BÜHLER u Fred MASSARIK mit ihren Forschungsarbeiten über Lebensstil,  Lebensziel und Verhalten in Kleingruppen, Rollo MAY und Virginia SATIR als Bindeglied zu Alfred ADLER’s Ideen der Familien- & Erziehungberatung sind die ersten Schlüsselfiguren.
Der Counselor wird im Rahmen der Humanistischen Psychologie verstanden als Anbieter einer wachstumsfördernden Beziehung. Es geht um Empathie (Einfühlen in das Erleben des Klienten), Akzeptanz (Verstehen wollen, worum es genau geht) und um Kongruenz (Übereinstimmung von Haltung und Handeln)
Die Humanistische Psychologie ist unabhängig von allein medizinischen Vorstellungen. Sie hat emanzipatorisch aufklärerischen Fokus und versteht Beratung immer in Verbindung mit einem BildungsAuftrag.

1962    Gründung der Alfred Adler Gesellschaft AAG in München mit Prof. Dr. METZGER, BRACHFELD und SEELMANN

1964    Konferenz in Old Saybrook, Connecticut: hier werden wichtige Impulse zur Entwicklung der Humanistischen Psychologie mit Wissenschaftler wie Rollo MAY, Clark MOUSTAKAS und James BUGENTHAL besprochen. James Bugenthal wird später der 1. Empfänger des Rollo May Preises von Saybrook.

1966    Lucy ACKERKNECHT gründet in Berkely, California ASA das Western Institute for Research & Training in Humanics, WIRTH. Es wird 1969 als Incorportion offiziell registriert. Das WIRTH wirkt von Beginn an international. So beteiligt sich Lucy ACKERKNECHT als ordentliche Professorin der John F. Kennedy Universität, California und dortige Präsidentin der Psychologie-Abteilung am 10.Internationalen Kongress der Internationalen Vereinigung für Individualpsychologie 1966 in Salzburg (Präsident: Dr. Kurt ADLER). Aufgrund ihres Referates wird sie im Oktober 1967 von der Deutschen Alfred Adler Gesellschaft AAG (namentlich von Dipl. Psych. Seeger und Prof. Dr. Metzger) eingeladen, Grundseminare für Psychotherapie und Tiefenpsychologische Heilpädagogik in Münster und Aachen durchzuführen.

1968    folgen weitere Aufbauseminare und Ausbildungsgruppen für Berater und Psychotherapeuten. Lucy ACKERKNECHT war Teil des Staffs der erster IP-Dozenten in Deutschland: Sie bildete somit neben dem emeritierten Studienrat Paul ROM (London) und Dr. Rudolf DREIKURS die erste Generation von individualpsychologischen Beratern und Therapeuten im Nachkriegsdeutschland aus. Weitere bekannte Dozenten waren Prof. Dr. Metzger, Prof. Dr. Pauleikhoff und Dr. Mensen. Innerhalb des Vorstandes der Deutschen Alfred Adler Gesellschaft AAG  wirkt Lucy ACKERKNECHT gemeinsam mit Erik BLUMENTHAL. Es werden regionale Arbeitskreise gebildet und erste zentrale Ausbildungsrichtlinien erarbeitet.

1968    Charlotte BÜHLER und Fred MASSARIK publizieren in USA „The Course of Human Life. A Study of goals in the Humanistic Perspective, deutsch 1969: Lebenslauf und Lebensziele. Studien in Humanistisch-psychologischer Sicht.

1969/70    Gründung Deutsche Gesellschaft für IndividualPsychologie – Umbenennung der Alfred Adler Gesellschaft AAG. Lucy ACKERKNECHTS Engagement in zwei Kontinenten lässt ihr nach der Gründung der DGIP keine Zeit für weitere Vorstandsarbeit in der DGIP, doch sie arbeitet viele Jahre als Dozentin für einzelne Regionalkreise, ist als LehrAnalytikerin und Prüferin tätig. Auch in der Schweiz wirkt sie als Gastdozentin. So pendelt sie in diesen Jahren zwischen ihrem Institut WIRTH, USA und Europa und  gründet 1977 in Köln eine Niederlassung ihres Amerikanischen Ausbildungsinstitutes WIRTH.

1971    Gründung HPI Humnistic Psychology Institute in San Francisco USA; es wird später zu Ehren der 1964 Konferenz von Connecticut umbenannt in Saybrook Graduate School and Research Center, wobei die KonferenzDozenten von 1964 Mitglieder des Lehrkörpers der neuen Universität werden. Installation des ersten M.A. Studienganges in Humanistic Psycholgy durch Dr. Eleanor CRISWELL und Dr. Thomas HANNA.

1972    Gründung IHP Institut für Humanistische Psychologie in Eschweiler Deutschland durch Klaus & Dagmar LUMMA, später mit Beteiligung der Familien Gerhard & Annegret KERN, Detlef BRAUN & Doris NIEPALLA, supervidiert durch Fred MASSARIK, Lucy ACKERKNECHT, John BRINLEY und Ruth C. COHN; Aufbau dreijähriger Weiterbildungsgänge mit anschließender Graduierung (erst Pädagogische Psychotherapie, dann ab 2000 unter dem Counseling Begriff) in unterschiedlichen Verfahren der Humanistischen Psychologie: GestaltTherapie & OrientierungsAnalyse, Kunst- & GestaltungsTherapie, Supervision & Coaching,  Systemische Beratung (vormals FamilienTherapie). Schirmherr des Instituts ist der englische Pädagoge Alexander Sutherland NEILL, der schon sehr früh SchülerBeratung an seiner privaten englischen Summerhill School praktizierte. Neill hatte selbst eine vegetotherapeutische Analyse bei Wilhelm REICH absolviert, um seine hemmenden PersönlichkeitsAnteile konstruktiv zu bearbeiten, und er benutzte in seinen „private lessons“ eine Art Konzept der Berufungs-Beratung (vocational guidance) wie das von Frank Parson aus dem Jahre 1909.

1977    Die von Berlin über Argeles nach Berkeley geflohene Adlerianerin Lucy ACKERKNECHT installiert in Köln die Europäische Niederlassung ihres Western Institute for Research & Training in Humanics,
WIRTH (Hauptsitz Berkeley, California USA) und setzt dort die bereits bei der DGIP begonnenen Lehrtätigkeit fort, unter anderem auch in Argeles, Frankreich. Diese Deutsche Niederlassung des WIRTH betont ihr eigenständiges Wirken innerhalb der ADLERianischen IndividualPsychologie. Lucy ACKERKNECHTs  Devise ist dabei: Therapeutisches Wissen sollten jedermann zugänglich gemacht werden, der es für sich persönlich und für seinen Beruf braucht – also auch den sogeannten „Laienberufen“. Therapeutisches Geschick sollte nicht nur den  heilkundlich oder pädagogisch tätigen Berufsgruppen vermittelt werden.
Lucy ACKERKNIECHTs Devise ist identisch mit der des 1972 von Klaus LUMMA gegründeten Instituts für Humanistische Psychologie IHP im Rahmen des WeiterbildungsGesetzes NRW. Auf Grund dieser konzeptionellen Übereinstimmung wird Lucy ACKERKNECHT innerhalb des IHP unter anderem für Supervision der dort Lehrenden eingeladen. Klaus LUMMA bringt bei ihr auch seine im Alfred Adler Institut Aachen begonnene individualpsychologische Ausbildung zum Abschluss (MFCC Marriage, Family & Child Counselor) und arbeitet später bis zu ihrem Tod (1997) innerhalb der Bildungsurlaub-Seminare des IHP auch in Berkeley mit ihr zusammen (Tom FRAZIER Seminar zu den Wurzeln der Humanistischen Psychologie).

1986    Aufbau des BVPPT Berufsverband für Beratung, Pädagogik & Psychotherapie , zunächst als Tochter des IHP, dann als selbständig eingetragener Verein (e.V.) – Erste JahresTagung 1987.

1993    Lucy Ackerknecht unterstützt die Gründung des Tiefenpsychologischen Institituts für Persönlichkeitsentwicklung (tip e.v.)  unter Leitung von Dr. Markus JENSCH, Thomas KOPETZKY  und Bernd KOWOL (Sitz: Düsseldorf).

1999    Klaus Lumma publiziert das Buch  COUNSELING, Theorie und Praxis der Beratungs-Pädagogik, Zur Neu-Orientierung pädagogisch-therapeutischer Interventionen in Bildung und Beratung.

2004    Gründung DGfB Deutsche Gesellschaft für BeratungGerman Association for Counseling (15. September in Berlin)

2006    Gründung NfB Nationales Forum Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung (27. September in Berlin)


Die beiden frühen Hauptwurzeln des Counseling werden an dieser Stelle kurz inhaltlich erörtert, zunächst der individualpsychologische Hintergrund der Konzeption von Alfred ADLER, dann die Ideen von Frank PARSONS zur Berufungs-Beratung (vocational guidance).

Alfred ADLER
Sein Gedankengut lernte ich innerhalb der individualpsychologischen Ausbildung in Ehe- & FamilienBeratung (Marriage, Family & Child Counselor) bei Lucy ACKERKNECHT kennen, und ich beziehe mich hier inhaltlich bezüglich der Adlerianischen Konzeption in der Hauptsache auf Jürgen FRICKs „Anmerkungen zur Aktualität der Individualpsychologie“ (FfIP, 36. Jg, Nr.3 / 2011, Seite 217-237.) und in den oben aufgeführten geschichtlichen Bezügen bezüglich Lucy ACKERKNECHT auf die Aufzeichnungen unseres Kollegen Bernd KOWOL, ihrem langjährigen leitenden Mitarbeiter  innerhalb der Deutschen Niederlassung des Western Institute for Research & Training in Humanics. (eMail vom 12.05.2012).
Die Individualpsychologie beschäftigt sich im Feld der Beratung mit der Psychodynamik und den InteraktionsMustern des Ratsuchenden und benutzt dabei folgende Begriffe: Verwöhnung – Geschwisterkonstellation - Ermutigung – Lebensstil – Finalität – Machtstreben – Lebensaufgaben – Gemeinschaftsgefühl.
Der Mensch wird aus Sicht Alfred ADLERs grundsätzlich als entwicklungsfähiges und veränderbares Wesen beschrieben. Die Konstellation der Geschwister ebenso wie das Verhalten der Eltern und den anderen, frühen BezugsPersonen nehmen auf den heranwachsenden Menschen solchen Einfluss, dass er sich aus diesen beiden Komponenten heraus affektlogisch unbewusst für einen ganz bestimmten LebensStil (script würde Eric BERNE dazu sagen) entscheidet. Auch nehmen diese beiden Faktoren großen Einfluss auf die Entwicklung von GemeinschaftsGefühl, Geltungs- und Machtstreben. Grundsätzlich erkennt Alfred ADLER des Menschen Handeln immer als geprägt eben vom unbewusst gewählten LebensStil und der darin angelegte Finalität, dem Ausgerichtet-Sein auf ein ganz bestimmtes Ziel hin, schlicht gesprochen auf Erfolg oder Misserfolg.
In der individualpsychologischen Beratung werden mit Rücksichtnahme auf die genannten Komponenten EntwicklungsAufgaben gestellt, die zum Ziel haben, aus Verwöhnung entstandenes, überzogenes Macht- und GeltungsStreben zu begrenzen, Ansprüche an sich selbst (Elterliche Einschärfungen/Antreiber) herunter zu schrauben, Selbstzentrierung abzubauen, ein Gefühl für die Notwendigkeit von Gemeinschaft zu erkennen und Leben in Gemeinschaft anzustreben.
Erinnerungen und Träume werden in der Beratung als wichtiges „Kapital“ des Klienten erkannt, weil sie die besten Daten bezüglich der Haltung zur aktuellen LebensStituation (Hier & Jetzt), Finalität und zum GemeinschaftsGefühl, bzw. Macht- & GeltungsStreben beinhalten.
„Was treibt den Menschen, was ist seine Melodie des Lebens, wie geht er mit den Herausforderungen, den Anforderungen des Lebens um, wie antwortet er? Der Lebensstil bildet die konkreten Erfahrungen, Meinungen, auch Fiktionen und Ziele des Individuums ab, in ihm sind sozusagen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erhalten.“ (Jürg FRICK 2011, Seite 230.)

Frank PARSONS
Während Alfred ADLER seine Beratungsideen primär aus der Medizin heraus entwickelte, kommt das Konzept des Amerikaners Frank PARSONS grundsätzlich aus interdisziplinärem Denken heraus. PARSONS war sowohl Ingenieur als auch SozialReformer, Erziehungswissenschaftler und Jurist. Er nannte sein BeratungsKonzept BerufungsBeratung (vocational guidance – career guidance), wandte es erstmals 1905 in der Stadtverwaltung von Boston an und gründete wenig später das erste Bureau of Vocational Guidance. Man beachte, dass es hier nicht BeratungsPraxis heißt, sondern Büro, von dem aus der Klient „an die Hand“ genommen wird. Von diesem Büro aus trainierte er Counselor und Manager des YMCA (Young Men Christian Association), und einige Jahre später wurde seine Konzeption zum Grundstein der ersten Counselor Zertifizierung an der Harvard University. Sein Buch „Choosing a Vocation“ – „Eine Berufung wählen“ wurde 1909, ein Jahr nach seinem Tod publiziert.
Sein Konzept ist pragmatisch und einfach:

1.    First, a clear understanding of yourself, aptitudes, abilities, interests, resources, limitations, and other qualities (die psychodynamische Seite der Beratung)
2.    Second, a knowledge of the requirements and conditions of success, advantages and disadvantages, compensations, opportunities, and prospects in different lines of work (die Tatsachen, auf die sich Beratung bezieht, Rahmenbedingungen, Anforderungen etc.)
3.    Third, true reasoning of the relations of these two groups of facts (das rational-emotive Ausbalancieren der genannten beiden Gruppen im BeratungsProzess) Siehe Parsons, 1909, Seite. 5.

Zur Vorbereitung solcher dreistufiger Beratungsprozesse entwickelte PARSONS einen persönlichen AnalyseBogen mit 116 ganz konkreten und zum Teil sehr persönlichen Fragen.

Parsons schreibt sinngemäß: Man kann kein Generalrezept für den Aufbau von Beratung geben; es gibt kein Rezept, das auf alle Fälle passt. Die Vorgehensweise muss grundsätzlich der persönlichen Situation des Kunden angepasst werden. Und in manchen Fällen ist es ratsam, wenn der Kunde durch Hausaufgaben auf ganz konkrete Fragen vorbereitet wird. (Parsons 1909, Seite 26.) Zu diesem Zweck habe ich einen FragenKatalog entwickelt, bei dem sich zwar einiges wiederholt, der jedoch dem Ratsuchenden zuhause schon dabei helfen kann, im Stile eines Selbst-Studiums heraus zu kristallisieren, wozu ganz konkret er/sie die Beratung in Anspruch nehmen möchte, insbesondere wenn es um berufliche EntwicklungsThemen geht: Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit zu sich selbst und zum Counselor sind für die besten Ergebnisse unabdingbar.

Erst bei meinen Recherchen über die geschichtliche Entwicklung des COUNSELING erfuhr ich von Frank PARSONS und seinem hochqualifizierten, interdisziplinären BeratungsKonzept, einem Konzept, das urtümlich pädagogisch beraterisch und ganz ohne medizinisch-therapeutischen Bezug ist – das deute ich als wunderbare Synchronizität, a wonderful coincidence. Was mich ganz besonders beeindruckt hat, das ist seine zeitlose und bereits 1909 ausgeprägte Counselor Identität, die sich wie folgt ausdrüc
„Der Fragebogen kann dazu beisteuern, sich selbst gut kennen zu lernen und den Counselor allein daraufhin zu konsultieren, zu beantworten, was Ihnen nach dem Aufspüren der Selbst-Einsichten noch unklar ist. Fragen, die Sie selbst beantworten können, sollten Sie dem Counselor nicht mehr stellen, denn damit behindern Sie die WeiterEntwicklung Ihrer Person: sie machen sich kleiner als Sie sind.
Vergleichen Sie sich (auch im Detail) mit Personen, die Sie bewundern und mit Personen, die Sie verabscheuen – und bemühen Sie sich darum, die Exzellenz der ersteren zu entdecken und die Fehler der letzteren zu vermeiden.“ (Parson 1909, Seite 27)


Literatur Ergänzungen
ACKERKNECHT, Lucy: „Frühe KindheitsErinnerungen und ihre Bedeutung für die Lebensstilanalyse“ in Zeitschrift für Individualpsychologie, 3. Jg., 1978, Seite 117-127.
ADLER, Alfred: Schriften zur Erziehung und Erziehungsberatung (1913-1937), Band 4 der Alfred Adler Studienausgabe, herausgegeben von Wilfried Datler, Johannes Gstach und Michael Wininger, Göttingen (Vanderhoek & Ruprecht) 2009.
BEERS, Clifford Wittingham: A Mind that Found Itself, Pittsburgh (University of Pittsburgh Press) 1981.
BRUDER-BEZZEL, Almuth: Geschichte der Individualpsychologie, Göttingen (Vanderhoeck & Ruprecht, 1999.
BÜHLER, Charlotte und Fred MASSAIK: Lebenslauf und Lebensziele. Studien in Humanistisch-psychologischer Sicht, Frankfurt (Gustav Fischer) 1969 = Übersetzung des amerikanischen Originals „The Course of Human Life, A Study of Goals in the Humanistic Perspective, New York (Springer) 1968.
COUNSELING JOURNAL, herausgegeben vom BVPPT Berufsverband für Beratung, Pädagogik und Psychotherapie – Association for Counseling, Education and Psychotherapy. www.bvppt.de
COUNSELING  TODAY, herausgegeben von der ACA American Counseling Association. www.counseling.org
DAIN, Norman: Clifford W. Beers, Advocate For The Insane, Pittsburgh (University of Pittsburgh Press) 1980.
DIX, Lynde Dorothea: Conversations on Common Things or, Guide to Knowledge, first published 1824, Boston (Monroe & Francis) 1828.  http://www.archive.org/stream/conversationson00dixgoog#page/n6/mode/1up, retrieved 12 November 2010.
HAVIGHURST, Robert J.: Developmental Tasks and Education, Chicago (University of Chicago Press) 1948, 3rd revised Edition New York (McKay) 1972.
HOWARD, Davis: Frank Parsons * Prophet Innovator Counselor, Chicago (Southern Illinois University Press) 1969.
LUMMA, Klaus: Counseling, Theorie & Praxis der BeratungsPädagogik. Zur Neu-Orientierung pädagogisch-therapeutischer Interventionen in Bildung und Beratung, Eschweiler (IHP) 1999.
MAY, Rollo: The Art of Counseling, Nashville (Cokesbury) 1939, . dtsch.: Die Kunst der Beratung, Mainz (Matthias-Grünewald) 1991.
MÜLLER, Wolfgang: Wie Helfen zum Beruf wurde, Weinheim (Juventa) 2006.
NELSON-JONES, Richard: The Theory and Practice of Counseling, London (Cassell) 1995.
PARSONS, Frank: Choosing a vocation, Boston & New York (Houghton Mifflin) 1909.
NESTMANN, Frank: „Anforderungen an eine nachhaltige Beratung in Bildung und Beruf - Ein Plädoyer für die Wiedervereinigung von `Counselling´  und `Guidance’, VortragsManuskript 2011.
QUITMANN, Helmut: Humanistische Psychologie. Zentrale Konzepte und philosophischer Hintergrund, Göttingen (Hogrefe) 1985.
ROGERS, Carl: Die nicht-direktive Beratung, Counseling & Psychotherapie, München (Kindler) 1972, englisch: Counseling & Psychotherapy, La Jolla (Western Behavioral Science Institute) 1942.
TANNENBAUM, Robert, Irving R. WECHSLER und Fred MASSARIK: Leadership and Organisation. A Behaviroral Science Approach, New York (McGraw-Hill) 1961.
VÖLKER, Ulrich: Humanistische Psychologie, Ansätze einer lebensnahen Wissenschaft vom Menschen, Weinheim (Beltz) 1980.
WUNDT, William Maximilian: Erlebtes und Erkanntes, Stuttgart (Kröner)1920.

Siehe auch:
www.bvppt.de; www.ihp.de
www.counseling.org/resources
www.newworldencyclopedia.org/entry/Rollo_May
www.coachingplus.ch/documents/28AlfredAdler.pdf
www.counseling.org/resources/consumersmedia.aspx
www.dachverband-beratung.de; www.forum-beratung.de 
www.counseling.org/AboutUs/OurHistory/TP/Home/CT2.aspx
www.ablongman.com/helpingprofessions/coun/ppt/other/historyofcounseling.ppt
darin: „A History of Counseling“: view a lifetime from 1907 till today of the counseling profession

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